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Der Mythos der deutschen Atombombe

 

 

 

Stand des Wissens in der Kernphysik Anfang der 40-er Jahre

 

Um 1941 wusste man sowohl in Deutschland und den USA, dass eine Kettenreaktion mit dem seltenen Uranisotop 235 möglich ist. Alles deutete darauf hin, dass auch ein neues Element, welches beim Neutroneneinfang im störenden Uran 238 gebildet wird - wir kennen es heute als Plutonium - spaltbar ist. Eine Trennung der beiden Uranisotope erfordert aufwändige technische Verfahren wie Massenspektrometer, Diffusions- oder Gaszentrifugenanlagen, während Plutonium und Uran sich relativ einfach chemisch trennen lassen.

 

Zur Herstellung von Plutonium benötigt man einen Reaktor, den man grundsätzlich auch mit Natururan, also Uran 238, welches nur 0.7% Uran 235 enthält, bauen kann. Man muss dafür sorgen, dass die bei der spontanen Spaltung entstehenden schnellen Neutronen durch den Einsatz von Moderatoren wie Graphit oder schwerem Wasser in elastischen Stößen rasch heruntergebremst werden, bevor sie von dem reichlich vorhandenen Uran 238 eingefangen werden. Als langsame Neutronen können sie dann mit dem geringen Anteil des Isotops 235 im Natururan reagieren. Durch dessen Spaltung werden weitere zu einer Kettenreaktion notwendigen Neutronen erzeugt, der Reaktor ist dann kritisch. Wie schon erwähnt, führt der Einfang von Neutronen im "störenden" Uran 238 des Reaktors zur Erbrütung von spaltbarem Plutonium. Als Moderatormaterial in einem Reaktor sollte Wasserstoff oder Wasser ideal sein, doch Wasserstoff fängt ebenfalls Neutronen (unter Bildung von Deuterium) ein, so dass eine Kettenreaktion mit Natururan unmöglich wird. Darum muss man als Moderatormaterial in einem Reaktor mit natürlichem Uran entweder schweres Wasser oder Graphit  verwenden.

 

 

Die amerikanische Atomforschung (1940/41)

 

In den USA hatte auch ein zweiter Brief Einsteins an Roosevelt über eine mögliche deutsche Atombombe zunächst keine Folgen. Erst als man erfuhr, dass die Engländer ernsthaft an Atomprojekten arbeiteten und nach dem Überfall der Japaner auf Pearl Harbor kam es in Amerika im Dezember 1941 zu ersten Schritten in Richtung Manhattan-Projekt. In Großbritannien hatten die ehemaligen Deutschen Rudolph Peierls und Klaus Fuchs, der nachmalige Atomspion, die notwendige Menge spaltbaren Materials d. h. die kritische Masse für eine Bombe berechnet. Danach benötigt man zum Bau einer Atombombe, die im Gegensatz zum Reaktor mit schnellen Neutronen funktioniert, 23 kg reines U 235 aber nur 6 kg Pu 239. In den USA ist man beim Bau der Bombe bekanntlich beide Wege gegangen. Die Bombe auf Hiroshima war eine Uranbombe (Little Boy), die auf Nagasaki eine Plutoniumbombe (Fat Man).

 

Treibende Kraft für den Bau einer amerikanischen Atombombe waren die aus Europa eingewanderten Physiker, die unbedingt den Deutschen zuvorkommen wollten. Zwar lagen in den USA Informationen vor, dass man in Deutschland keine Atombomben baue, doch diese Nachrichten erreichten die Physiker nicht. Stattdessen bestärkte die Aussage eines deutschen Flüchtlings Fritz Reiche die Furcht der Amerikaner vor der deutschen Bombe.

 

 

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Reiche war ein besonders tragischer Fall. Er hatte am 1. Weltkrieg teilgenommen und wurde 1934 als 51-Jähriger von seinem Lehrstuhl für theoretische Physik in Breslau mit nur minimalen Bezügen zwangspensioniert. Anschließend vegetierte mit seiner Familie 7 Jahre in Berlin. Wegen seines Alters war es schwer, für ihn eine Professur im Ausland zu finden. Doch da gelang ihm im März 1941, kurz bevor die deutsche Grenze für Juden geschlossen wurde, über Portugal die Ausreise in die USA. Der inzwischen Großdeutsche Fritz Houtermans einer der Mitarbeiter beim deutschen Atomprogramm gab Reiche folgende Nachricht mit auf den Weg: Heisenberg will eine deutsche Atombombe verhindern, doch keiner weiß, wie lange er dem Druck der Regierung noch widerstehen kann. Nach dieser Aussage blieb der Ehrgeiz der amerikanischen Physiker, den Nazis beim Bau der Bombe zuvorzukommen, ungebremst.

 

 

This page was last updated on 07 August, 2018