Der Überzieher
Eine traurige Geschichte
Kennen Sie denn
die Geschichte
Von dem Überzieher schon,
Den sich kaufte der Herr Fichte
Bei der Firma Stern und Sohn?
Dieser Paletot war 'n Prachtstück,
Und der Preis war gar nicht stark;
Neunundvierzig Mark und achtzig,
Nicht mal ganze fünfzig Mark.
Der Herr Stern sprach: »Sein Sie froh,
's ist mein schönster Paletot.
Gebn Sie acht -
auf die Pracht!
's wird gestohln bei Tag und Nacht.
Gehn Sie mal - im Lokal,
Hängn Sie 'n vor sich auf im Saal.
Schaun Sie 'n dann - immer an,
Bleibt der Überzieher dran.
Sehn Sie weg - von dem Fleck,
Ist der Überzieher weg!«
Fichte ging ins
Wirtshaus leider.
War da 'n Zettel angebracht:
»'s gibt keinen Raum für Überkleider,
Jeder Gast geb selber acht!«
Einen Haken fand Herr Fichte
Hinten nur - 's war ärgerlich,
Darum dreht er sein Gesichte,
Hängt den Mantel hinter sich
Und nun saß er wie gebannt,
Schaute immer nach der Wand.
»Ist er weg -
ist er hier?
Ja, da hängt der
Uberziehr.
Ist er hier? Ist
er weg?
Nein, er hängt
noch auf dem Fleck.
Schau ich stier
- hinter mir,
Hab ich meinen
Überziehr.
Seh ich weg -
von dem Fleck,
Ist der
Überzieher weg.«
Fichte rief nun:
»Kellner! Essen!«
Der bracht 's
Essen ihm und ging.
Nun hat Fichte
nicht vergessen,
Daß der Mantel
hinten hing,
Denn ihm schien
- das war gefährlich,
Als ob alle
Gäste hier
Schauten gierig
und begehrlich
Nur nach seinem
Überziehr.
Darum kam's, daß,
als er aß,
Er den Mantel
nicht vergaß.
»Essen hier - da
das Bier,
Und da hängt der
Überziehr.
Oben kaun - hier
verdaun -
Und dabei nach
hinten schaun.
Schau ich stier
- hinter mir,
Schmeckt kein
Essen und kein Bier,
Seh ich weg -
von dem Fleck,
Ist der
Überzieher weg.«
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Nun mag sein:
Durch die Bewegung,
Durch das Drehen
beim Souper
Kam sein Korpus
in Erregung,
Und er kriegte
Magenweh.
»Gut«, sagt er,
»das geht vorüber«,
Wollt zu der
bewußten Tür,
Die ihm grade
gegenüber -
»Halt!« denkt er,
»der Überziehr!«
Setzt sich
wieder hin ganz sacht
Und hat
kummervoll gedacht:
»Wenn zur Tür -
ich marschier,
Nimmt man mir
den Überziehr.
In der Eck - im
Versteck
Gehn die
Magenschmerzen weg.
Bleib ich hier -
im Revier,
Bleibn die
Magenschmerzen mir.
Geh ich weg -
von dem Fleck,
Ist der
Überzieher weg!
Ja, da gibt es
nichts zu lachen,
Gab es so etwas wohl frühr?
Mußt man sich da Sorgen machen
Wegen einem Uberziehr?
Stundenlang konnt man da sitzen
Hinter der bewußten Tür
Und braucht' keine Angst zu schwitzen
Wegen seinem Überziehr.
Man ging raus, das ist doch klar,
Wenn Gefahr im Anzug war.
Man saß froh -
anderswo,
Und da hing der Paletot.
Kam zur Tür - man herfür,
Sah
man seinen Überziehr.
Spürt man heut - innres Leid,
Denkt man erst ans Überkleid.
Geht man weg - von dem Flek,
Ist der Überzieher weg!«
So dacht Fichte
- und blieb sitzen.
Aber schließlich
mußt er raus.
Plötzlich sprach
er: »Das wird nützen:
Trittst jetzt
mit dem Mantel aus!
Brauchst ihn ja
nicht anzuziehen.
Das erschüttert
dich zu sehr.
Nimmst ihn übern
Arm beim Fliehen
Und kommst
nachher wieder her.«
Er stand auf -
und setzt sich hin;
Alles fuhr ihm
durch den Sinn:
»Essen, Bier -
kriegt ich hier,
Hab noch nicht
bezahlt dafür.
Magenschmerz -
drückt mein Herz
Und der Kellner
anderwärts.
Wart ich prompt
- bis er kommt,
Weiß ich nicht,
ob mir das frommt.
Geh ich weg -
von dem Fleck,
Ist der
Überzieher weg! |
Nehm ich mir -
'n Überziehr
Übern Arm,
schaut man nach mir,
Denn der Raum,
der mein Traum,
Ist zwei Schritt
vom Ausgang kaum.
Steh ich auf -
und ich lauf
Mit dem Rock -
hält man mich auf!
„Nicht vom
Fleck! - Der will keck
Mit'nem
Überzieher weg.“
Alles schwirrt,
kracht und klirrt,
Bis der Wirt
gerufen wird.
Schließlich irrt
- auch der Wirt,
Schimpft mit mir
und wird verwirrt.
's kommt ein
Gast - und der faßt
Meinen Mantel
voller Hast
Und ruft keck: „Dieser
Geck
Nahm mir'n
Überzieher weg!“
Will ich dann -
zu dem ran,
Kommt der
Kellner hinten an:
„Bleibn Sie hier!
- Nicht zur Tür!
Zahln Sie erst
die Zeche mir!“
Bis ich zahl -voller
Qual,
Ist der
raus aus dem Lokal,
Ich am Fleck -
ohne Zweck
Und der
Überzieher weg.
Bis ich näh'r -
das erklär,
Dazu drängt die
Zeit zu sehr.
Das Malheur -
kommt vorher -
Hab den
Gang nicht nötig mehr. -
Wie ich's mach -
's gibt 'nen Krach,
Da hilft gar
kein Weh und Ach!
Hab den Schreck
- und den Dreck
Und den
Überzieher weg!«
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