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Das Rohr

 

Die Erkenntnis, das Abitur bestanden zu haben, ließ uns zu ungeheuren literarischen Leistungen auflaufen. So entstand in Gemeinschaftsarbeit der Codex Abituriensis vulgo auch Das Rohr mit vielen heute bereits in Literatur- und Wissenschaftskreisen als Geheimtipp gehandelten Beiträgen: Hier seien stellvertretend aus dem Inhaltsverzeichnis zitiert:

 

Ein grundlegendes Memorandum zur Schulreform, welches heute gern von Kulturhistorikern als erster Hinweis auf Pisa angeführt wird.

 

Eine Ode an das Skatspiel, dessen Wert als geistiges Training heute leider in Vergessenheit geraten ist.

 

Eine progressive Berufsberatung: Straßenfeger oder Generaldirektor. Konsequent angewendet, hätte sie uns bis heute die Vollbeschäftigung garantiert.

 

Schließlich sei noch der schon damals als wirklich modern bezeichnete Bildungsroman Fritz Geselles Bildungsjahre erwähnt, aus dem wir damals das alles entscheidende Kapitel über die tätige Liebe abdruckten.

 

Die Abiturfeier

 

Es gab natürlich eine Abiturfeier auf der einige von uns eine kabarettistische Einlage produzierten. Die untenstehenden Texte habe ich bei meinen Papieren gefunden, die hier reproduzierten Photos stammen m.  e. von einem späteren Auftritt, bei dem wir speziell die neue Bundeswehr durch den Kakao zogen. Damals hatte Pierre Mendes-France der französischen Armee verordnet, statt dem Viertele Roten pro Tag Milch zu trinken. Darum sangen wir auf der Bühne fleißig marschierend und stampfend: Wenn das so weiter geht bis morgen früh, steh’n wir in dicker Milch bis an die Knie. Hat jemand von Euch noch den Text, der zu den Bildern hier passt?

 

 

Doch nun zurück zum Gesangstext bei der Abiturfeier:

Poppenbüttel, den  2.3.54

Kleines Kabarett zur Abiturfeier 1954

 

Melodie: Von den blauen Bergen kommen wir ...
Von der Oberschule kommen wir
und wir leben und sterben nur für ihr.
lernen, das ist eine Wonne,
unsere Schul’ ist unsere Sonne.
Von der Oberschule kommen wir.
 Singen, wie es gerade uns gefällt,
und erzählen aus unserer alten Welt.
Und wir wollen ohn’ zu mildern
jetzt aus unserer Penne schildern.
Von der Oberschule kommen wir.

 

 

Melodie: Am Strande von Havanna ...
Am Rande der Stadt Hamburg steht ’ne Schule
Die Wege dorthin sie leiten
quer durch Felder und Weiden.
Die Bauern sind vor vielen, vielen Jahren
durch dies Gelände gefahren
und kehren stets noch zurück.
Der Schulrat sprach: O weinet keine Träne,
Wie bald wird dieser Bau ganz fertig sein.
Doch wir, wir hofften immer noch vergebens
- hoffentlich nicht zeitlebens -
auf den Rest von dem Bau.

 

Melodie: Mäcki war ein Seemann . . .
Mäcki war Primaner,doch er konnte leider kein Latein.
Mäcki mochte pauken,
doch Sallust, der ging ihm gar nicht ein.
Und in jeder Stunde, da schrie der Lehrer
Du Gorilla aus dem Urwald lernst es nie.

 

Melodie: Ich kann nun mal das Jodeln nicht ...
Ich kann nun mal das Mogeln nicht mehr lassen.
Ich mogel, mogel, mogel mich so hoch.
Ich mogel mich so langsam durch die Klassen,
und ist es verboten, ich tu' es doch.
Sogar die Lehrer bleiben steh'n
und sagen: Ach wie schön!
Sie mogeln ideal,
ach mogeln sie doch noch mal.
Ich kann nun mal das Mogeln nicht mehr lassen.
Ich mogel, mogel, mogel mich so hoch.

 

Melodien: Sonntagnacht auf der Reeperbahn ... Es wär’ so wunderschön ... Lebe wohl du schwarze Rose ...

 

 Jeden Tag, wenn die Glocke geht,
und der Zeiger schon auf Mittag steht,
denken wir, jetzt wär' die Schule aus,
und wir kämen jetzt bestimmt geschwind' nach Haus.
Es wär' so wunderschön,

möglichst jetzt schnell loszugeh'n.

 

Doch das Pensum ist noch lang nicht erledigt ...

 

Lebe wohl, mein Zug am Bahnhof.
Wenn ich komm’, bist Du schon fort.
Lebe wohl, mein Zug am Bahnhof,
Wenn ich komm', bist Du nicht mehr dort.

 

 

 

Melodie: Wann besuchst du mich mal wieder ...
Wann besuchen sie uns wieder mal in Kürze?
Das wär' doch wunderschön, das wär' doch wunderschön.
denn das gibt dem Unterricht die richt'ge Würze
wenn sie so vor uns steh'n und uns im Unt'richt seh'n.
Das wär’ wieder einmal prima, das wär' wirklich grandios,
da wär' was los, da wär’ was los.

 

Melodie: Jeden Tag, da lieb' ich dich ...  
Jeden Tag, da lernen wir ein kleines bißchen mehr,
ein kleines bißchen mehr, ein kleines bißchen mehr.
Jeden Tag, da lernen wir ein kleines bißchen mehr,
mehr nach als am Tag vorher.

 

Doch :

 

Jeden Tag vergessen wir ein kleines bißchen mehr,
ein kleines bißchen mehr, ein kleines bißchen mehr.
Jeden Tag vergessen wir ein kleines bißchen mehr,
 mehr noch als am Tag vorher.

 

Und wie ist es bei den Abitur-Entlassungsfeiern ?

 

Jedes Jahr, da halten wir 'ne kleine Rede mehr,
'ne kleine Rede mehr, 'ne kleine Rede mehr,
jedes Jahr, da halten wir 'ne kleine Rede mehr,

mehr noch als im Jahr vorher.

 

Und wie ist es mit uns'rer neuen Schule?

 

Nach drei/vier Jahren kriegen wir 'nen kleinen Abschnitt mehr,
'nen kleinen Abschnitt mehr, 'nen kleinen Abschnitt mehr.
Nach drei/vier Jahren kriegen wir 'nen kleinen Abschnitt mehr,
mehr noch als beim Mal vorher.

 

Und was hat die Vorsehung unserer Schule beschieden?

 

Nach fünf/sechs Jahren brauchen wir ein neues deutsches Heer,
Ein neues deutsches Heer, ein neues deutschen Heer.
Da geben wir die Schule als Kaserne wieder her,
als Kaserne wieder her.

 

Zum Verständnis einiger Zeilen: Kurz vor dem Abitur packte unseren Klassenlehrer Dr. Gabrielsson die Furcht, dass wir unser Pensum nicht ganz geschafft hätten. So wurde eine Nachschulung im Anschluss an den normalen Unterricht angeordnet, mit dem Ergebnis, dass die mit der S-Bahn fahrenden Klassenkameraden ihren gewöhnlichen Zug verpassten.

 

Das war der Anfang der Ganztagsschule, liebe Freunde! Wie ihr noch wisst, hatten die Oberklassen das Privileg, aus den Baracken in den ersten Bauabschnitt des neuen Schulzentrums umzuziehen, während der zügige Weiterbau aus Finanzgründen zurückgestellt wurde. Schließlich stand Theo Blank Gewehr bei Fuß, um die Rekruten der neu gegründeten Bundeswehr in nicht existierende Kasernen einrücken zu lassen. Dieser Kelch ging an uns, den weißen Jahrgängen, vorüber.

 

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This page was last updated on 05 August, 2018